Das ist doch zum Mäusemelken
Der moderne junge Mensch ist politisch korrekt, vegan und versteht sich als Klima-Freund. Er möchte nachhaltig leben und bewusst konsumieren. Dort, wo er es nicht schafft, pflanzt er einen Baum – als Kompensation. Essen ist zum Politikum geworden. Auch ein Feindbild steht unlängst fest. Eine Masse von Natur ist das große Übel. 3,8 Mio. Milchkühe produzieren in Deutschland Milch, rülpsen, furzen und belasten so das Klima.
Gut, dass die Wissenschaft in den letzten Jahren hier nicht untätig war. Während China dabei ist, Hochleistungsrinder zu klonen, produzieren und verkaufen wir immer mehr Milch – pardon! – Drinks aus Hafer, Soja und Erbsenprotein. Vielleicht werden ja auch schon bald Insekten gemolken. Essen dürfen wir sie ja bereits und der Markenname Milch wäre dann auch wieder legitim verwendbar.
Dabei ist die Idee ja gar nicht verkehrt: Mit weniger externen Kosten denselben Output produzieren. Die Staatskasse dankt. Verändern wir eben ein Bakterium so, dass es für uns Kasein produziert. Wir müssen dann nur noch Kalzium, Fett, Zucker, Molkenproteine und Wasser hinzufügen und fertig ist der Käse. Die Methode nennt sich Präzisionsfermentation. Ob dieser Laib dann auch Löcher hat, ist jedoch fraglich.
Es würde mich allerdings sehr wundern, würden hier nicht auch immense externe Kosten entstehen. Die Bakterien möchten schließlich auch gefüttert werden. Fragt sich nur womit? Hier liegt dann wohl der Schlüssel. Und durch die Lösung eines Problems entstanden der Menschheit noch immer neue Probleme, die wir dann wieder lösen durften. Notfalls auch mit Alternativen zu den alternativen Proteinen – vielleicht irgendwann dann ja wieder mit Milch von der Kuh?
Nichtsdestotrotz ist die weiße und gelbe Linie aktuell in Aufruhr und Wandel. Die Zeichen der Tierproduktion stehen auf »aus«. Zumindest eine Reduktion der Tierbestände ist in naher Zukunft zu erwarten. Der Rohstoff Milch bleibt also weiterhin knapp. Neuseeland plant eine Rülps- und Furz-Steuer für Wiederkäuer einzuführen und die Zukunft ist flexitarisch. Auch wer die Lebensmittel Zeitung aufmerksam durchblättert, dem wird nicht entgangen sein, dass immer mehr rein pflanzliche Produkte auf den Markt drängen. Der Konsument möchte es. Am besten ohne Palmöl und ohne Gentechnik.
Der Wettbewerb jedenfalls heizt den Fortschritt an. Und ein Unternehmer scheut den Wettkampf nicht. Doch gegen den technischen Fortschritt und den Wandel hat wohl noch niemand gesiegt. Die Milch bleibt aber weiterhin weiß. Das ist auch nicht weiter schlimm, denn es gibt rund herum noch viele Baustellen: Verpackung, Transport und ja, auch der Methanausstoß der Kühe. Nichts, was nicht zu lösen wäre. Hierzu aber mehr in der nächsten Ausgabe der dmz.
Bemühen wir uns also, der Milch nicht nur eine weiße Optik – ein Label – zu verpassen. Verleihen wir ihr durch eine wirklich nachhaltige Produktion eine weiße Weste und der junge moderne Mensch wird sie dann auch wieder genießen.
Manuel Schiefer
Redaktion
Deutsche Molkerei Zeitung