Seit 1879 Lebensmittelindustrie und Milchwirtschaft

Erinnerungen an die Zukunft

von | 26. Januar 2023

Pflanzliche Produkte auf Basis von Erbsen, Weizen, Soja oder Hafer gibt es bereits am Markt. Das Deutsche Institut für Lebensmitteltechnik arbeitet derzeit daran, Proteine aus Gras für die menschliche Ernährung nutzbar zu machen. Neu daran: Gelten eingangs genannte Proteinquellen als Speicherproteine, die in den Samen der Früchte angelegt sind, ist das sogenannte Rubisco-Protein aus Gras dagegen Teil der Fotosynthese, deren Baustein-Eigenschaften denen des Milcheiweißes stärker ähneln als die der Speicherproteine.

Damit auch Nicht-Wiederkäuer das Grünfutter verstoffwechseln können, ist ein Zwischenschritt zur Extraktion und zum Aufschluss der verdaulichen Proteine notwendig. Das gemähte Gras wird in einem Container gepresst, damit die Zellstrukturen aufbrechen. In dem Saft, der entsteht, befinden sich die Proteine. Sie passieren einen Verdampfer, werden gefiltert und dann weiter aufbereitet.

Der Ansatz ist dabei nicht komplett neu, wenn wir ein paar Jahre zurückblicken. Ein niederländisches Start-Up Unternehmen forscht bereits an der Aufbereitung von Gras für die menschliche Ernährung. »Durch die Trennung des Proteins vom Gras haben Sie eine nahrhafte und nachhaltige Alternative. Das wird die Nahrung der Zukunft sein«, sagte damals Ad van Crommentuijn von Grassa! im Interview mit Innovation Origins. »Sojabohnenpflanzen tragen nicht zu einer besseren Umwelt bei. Wälder verschwinden, der Boden ist erschöpft und der Transport erfolgt in großen Seecontainern, die sehr klimaschädlich sind. Durch den Wechsel zur Bioraffinerie gehen viel weniger Sojabohnenboote diesen Weg. Tatsächlich gibt es in Europa genügend Grünland, um unseren Proteinbedarf zu decken.« Grassa! brachte bereits zusammen mit einer Reihe von Partnern Nuggets auf Pflanzenbasis auf den Markt.

Doch auch dieser Ansatz ist nicht neu, wenn wir Millionen Jahre zurückblicken. Wissenschaftler/innen der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und der Goethe-Universität Frankfurt haben anhand von fossilem Zahnschmelz herausgefunden, dass die frühen Urmenschen überraschend anpassungsfähig waren und ihren Speiseplan gemäß regionaler Ressourcen änderten. Weil es an Nährstoffen mangelte, standen für unsere Vorfahren damals mitunter Wildgräser auf dem Speiseplan.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts schrieb der von einer tiefen Liebe zur Natur geprägte deutsche Dichter Max Dauthendey: »Grünes Gras ist so wenig und ist so viel, wenn die Erde in Sack und Asche saß und beginnt von neuem ihr grünes Spiel.« Damals standen Europas Städte in dichte Rauchschwaden gehüllt, die Industrialisierung hatte die Welt im Griff. Heute hallen Dauthendays Zeilen auf besondere Weise nach.

Alexander Ströhlein
Chefredakteur
Deutsche Molkerei Zeitung

 

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