Seit 1879 Lebensmittelindustrie und Milchwirtschaft

Milchexporteuren fehlt es an Rohstoff

4. August 2022

USDA schätzt Weltmilcherzeugung 2022 schwächer als im Vorjahr ein – Wichtige Ausfuhrländer haben weniger Rohstoff zur Verfügung – Indien und China steigern dagegen Produktion mit mehr Kühen – Geringerer Importbedarf der Volksrepublik – Hohe Kosten dämpfen die Milcherzeugung in der EU – Rückgang der Pulverexporte erwartet

Für den internationalen Handel mit Milchprodukten ist die Nachfrageentwicklung des weltweit bedeutendsten Importeurs China von großer Bedeutung. Hier sieht das USDA Zeichen für eine Abschwächung. Foto: pixabay

Bereits seit Monaten ist die Milchproduktion bei den wichtigen Anbietern am Weltmilchmarkt im Vorjahresvergleich rückläufig – und eine schnelle Änderung ist kaum in Sicht. Dies hat nicht nur die internationalen Preise für Milchprodukte in ungeahnte Höhen getrieben, sondern das amerikanische Landwirtschaftsministerium (USDA) nun auch dazu veranlasst, seine Produktionsschätzung für 2022 deutlich nach unten zu korrigieren. In seiner aktuellen Halbjahresprognose wird für die insgesamt 18 betrachteten Länder erwartet, dass dort die Rohmilcherzeugung im laufenden Jahr bei 545,2 Mio t liegen wird; das sind 4,2 Mio t weniger als noch im Dezember prognostiziert wurde. Erstmals seit vielen Jahren wird davon ausgegangen, dass die globale Milcherzeugung im Vorjahresvergleich abnimmt, wenn auch nur um einige Hunderttausend Tonnen. Die Washingtoner Analysten stellen fest, dass seit Jahresbeginn insbesondere die großen Exportnationen weniger Rohmilch verarbeiten konnten. So sei das Aufkommen bis Mai in Neuseeland und Australien um jeweils rund 6 % gesunken, in der Europäischen Union und den USA um jeweils etwa 1 %. Lediglich in Argentinien sei aufgrund moderater Zunahmen im Kuhbestand ein Produktionszuwachs von 1 % verzeichnet worden. Für den weiteren Verlauf erwarten die US-Experten in Ozeanien aufgrund der günstigeren Witterungsbedingungen und verbesserter Weidebedingungen eine Erholung bei der Milcherzeugung, die aber unter dem Strich in Neuseeland mit 21,88 Mio t knapp und in Australien mit 8,73 Mio t um 3 % unter dem Niveau von 2021 liegen soll. Für die EU wurde die Prognose gegenüber Dezember jedoch nach unten korrigiert. Ein abnehmender Kuhbestand, immer mehr Umwelt- und Tierschutzauflagen sowie stark gestiegene Produktionskosten und eine regional schlechtere Futterversorgung durch Trockenheit würden trotz der hohen Milcherzeugerpreise einer Ausdehnung der Produktion entgegenstehen. Das USDA schätzt den Rückgang der EU-Rohmilcherzeugung 2022 gegenüber dem Vorjahr auf rund 2 %, für das eigene Land wird ein knapp stabiles Aufkommen erwartet. In den fünf führenden Exportnationen soll die Milcherzeugung insgesamt gegenüber 2021 um rund 1 % auf 287,5 Mio t abnehmen. 

Mehr Milch in China

Bedeutung für die globale Milcherzeugung haben aber nicht nur die führenden Exportländer, sondern auch Produktionsschwergewichte wie Indien und China. Auf dem indischen Subkontinent wird sich nach Einschätzung des USDA der Aufbau der zur Milchgewinnung genutzten Rinderherde 2022 weiter fortsetzen; der Bestand soll gegenüber dem Vorjahr um etwa 1,8 Millionen Tiere oder 3 % auf 59,8 Millionen Stück wachsen, so viele wie in keinem anderen Land der Welt. Für die Rohmilcherzeugung wird ein Zuwachs von 2 % auf 98,0 Mio t veranschlagt. Weitaus kräftiger dürfte dieser nach Einschätzung der US-Analysten in China mit einem Plus von 4,5 % auf die neue Rekordmenge von 38,5 Mio t ausfallen. Das Landwirtschaftsministerium in Peking hatte kürzlich berichtet, dass die Milchproduktion im ersten Halbjahr 2022 gegenüber der Vorjahresperiode sogar um gut 8 % gestiegen sei. Basis für diesen Zuwachs ist neben einer Professionalisierung der Erzeugung und höherer Milchleistung auch die Aufstockung der Milchkuhherden, deren Umfang im laufenden Jahr um 3,2 % auf 6,4 Millionen Stück zunehmen soll. Für die durch den Krieg gebeutelte Ukraine erwartet das USDA hingegen einen deutlichen Rückgang des Milchkuhbestandes um 10 % auf nur noch 1,55 Millionen Tiere; die Milcherzeugung könnte dort um rund 1 Mio t oder gut 11 % auf 7,8 Mio t einbrechen.

Weniger Milchpulverimporte

Für den internationalen Handel mit Milchprodukten ist die Nachfrageentwicklung des weltweit bedeutendsten Importeurs China von großer Bedeutung. Hier sieht das USDA Zeichen für eine Abschwächung. Der Absatz von Milchprodukten, insbesondere im Bereich Foodservice, hat in der Volksrepublik im ersten Halbjahr aufgrund der Corona-Lockdowns gelitten, zusammen mit der höheren Eigenproduktion dürfte das den US-Analysten zufolge im Gesamtjahr zu geringeren Importen führen. Dies wird vor allem den Milchpulverbereich treffen, da während der Corona-Stillstände mehr Milch getrocknet wurde und Lagerbestände aufgebaut wurden. Bei den wichtigen Vollmilchpulvereinfuhren rechnet das US-Ministerium mit einem Rückgang um etwa 50 000 t oder rund 6 % auf 800 000 t gegenüber dem Rekordjahr 2021. Zudem soll laut Vorhersage Chinas Bezug von Magermilchpulver um 76 000 t oder 18 % sinken, der von Butter und Butteröl um 4 % auf 133 000 t sowie der von Käse um 9 % auf 160 000 t. Das USDA rechnet jedoch global gesehen für 2022 nicht mit einem Einbruch der Im- und Exporte von Milchprodukten, da andere Länder, vor allem in Asien, größeren Importbedarf haben werden und ölexportierende Länder durch den Energiepreisanstieg über genügend Kaufkraft für den internationalen Warenbezug verfügen.

Mehr Käse aus der EU

Nicht nur das USDA, sondern auch die EU-Kommission hat im Juli eine Prognose zur kurzfristigen Entwicklung des Milchmarktes vorgelegt. Die Brüssler Analysten sehen die Kuhmilcherzeugung 2022 in der Gemeinschaft im Vorjahresvergleich ebenfalls abnehmen, allerdings nicht so stark wie das amerikanische Landwirtschaftsministerium. Laut Kommission sollen die Anlieferungen an die Molkereien um etwa 900 000 t oder 0,6 % auf 144,2 Mio t sinken. Mitverantwortlich dafür wird das voraussichtlich geringere Rohstoffaufkommen in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden sein, während dieses in Polen und Österreich zunehmen dürfte. Hohe Produktionskosten und eine witterungsbedingt teilweise ungenügende Grundfuttergrundlage seien trotz hoher Erzeugerpreise Bremsen für eine Produktionssteigerung, so die Kommission. Trotz geringerem Rohstoffaufkommen soll die Käseerzeugung noch um 0,5 % auf 10,9 Mio t zulegen, zumal diese auch im Export preislich wettbewerbsfähig ist; die Ausfuhr könnte gegenüber dem Vorjahr um 2 % auf 1,41 Mio t zulegen. Durch die erwartet höhere Käseproduktion soll die Herstellung des Koppelproduktes Molkenpulver um 1 % auf 2,2 Mio t steigen. Dagegen wird eine Abnahme der Butterherstellung um 1 % auf 2,32 Mio t erwartet.

Milchpulvererzeugung rückläufig

Die geringeren Milchanlieferungen, hohe Trocknungskosten und eine preislich schwierige Wettbewerbsposition gepaart mit Logistikschwierigkeiten beim Export auf den Weltmarkt dürften laut Kommission bei Milchpulver zu einer geringeren EU-Produktion führen. So wird für Magermilchpulver ein Rückgang der Herstellung im Vergleich mit 2021 von 1,5 % auf 1,39 Mio t erwartet. Bei den Ausfuhren könnte ein Minus von 5 % auf 749 000 t Realität werden; das wäre die geringste Menge seit 2016. Bisher hat vor allem der Absatz bei den Großkunden China, Algerien und Indonesien geklemmt. Für Vollmilchpulver wird in der Prognose von einem Rückgang der Produktionsmenge um 5 % auf 650 000 t ausgegangen; der Export könnte sogar um 8 % auf ein neues Zehnjahrestief von 274 000 t sinken. Bei der Herstellung von Milchfrischprodukten sieht die Kommission dagegen eine recht stabile Entwicklung in den Mitgliedstaaten. Die leicht rückläufige innergemeinschaftliche Nachfrage soll durch vermehrte Ausfuhren ausgeglichen werden. Der Gesamtverbrauch von Milchprodukten in der EU dürfte laut Kommission trotz hoher Verbraucherpreise um 0,3 % zulegen, was allerdings auch auf einem Corona-Effekt beruht, denn 2021 störten noch Lockdowns den Absatz im Foodservicebereich. AgE

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