Seit 1879 Lebensmittelindustrie und Milchwirtschaft

Niederlande: Bauern sehen Zukunft pessimistisch

23. April 2024

Vor allem die nationale Stickstoffpolitik und strengere EU-Vorschriften sorgen für Unmut in der niederländischen Landwirtschaft.

Die Landwirte in den Niederlanden blicken unter dem Strich eher pessimistisch in die Zukunft. Das ist das Ergebnis einer Umfrage, die die Fachzeitung „Boerderij“ in Zusammenarbeit mit dem Fernsehsender „EenVandaag“ vom 3. bis zum 17. April unter fast 900 Landwirten durchgeführt haben. Stuften die Bauern ihre Perspektiven wegen der niederländischen  Stickstoffpolitik bereits in den vergangenen Jahren als trüb ein, haben die neuen Düngevorschriften der Europäischen Union ihre Existenzen noch unsicherer werden lassen: Sieben von zehn Viehhaltern gaben bei der aktuellen Erhebung an, dass diese Regeln das Ende ihres Betriebs bedeuten könnten.

Bisher durften die niederländischen Milchbauern mehr Gülle auf den Feldern ausbringen als Berufskollegen in anderen EU-Ländern. Diese Ausnahmeregelung läuft nun jedoch schrittweise aus, sodass sie immer mehr Gülle gegen eine Gebühr abholen lassen müssen.

Doch nicht nur die Viehhalter zeigen sich missmutig: Ein Viertel aller befragten Landwirte geht davon aus, dass es ihren Betrieb in zehn Jahren wahrscheinlich oder bestimmt nicht mehr geben wird. Das Fehlen einer Perspektive, das zum Teil auf die sich ständig ändernde Politik zurückzuführen sei, erschwere es, einen Betriebsnachfolger zu finden. „Ich bin jetzt sechs Jahre lang von der Abrisspolitik gebeutelt worden“, erklärte ein Landwirt. „Meinen vier Kindern rate ich davon ab, Landwirt zu werden, ich will ihnen das nicht antun“, so der Umfrageteilnehmer.

Klimaziele ignorieren

Derweil hoffen 85% der befragten Landwirte mit Blick auf die laufende Regierungsbildung in den Niederlanden auf ein rechtsgerichtetes Kabinett unter Beteiligung der Partei für die Freiheit (PVV) des Rechtspopulisten Geert Wilders, der konservativ-liberalen Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD), der „sozial-konservativen“ Partei Neuer Sozialer Vertrag (NSC) und der Bauern-Bürger-Bewegung (BBB). Diese Parteien würden sich wahrscheinlich mehr für die Landwirte einsetzen als die zurzeit nur noch kommissarisch arbeitende Regierung unter Ministerpräsident Mark Rutte. Etwa 58% der Befragten erwarten von der neuen Regierung, dass die Stickstoffpolitik der letzten Jahre rückgängig gemacht wird. Außerdem sprachen sich 62% dafür aus, dass die neue Koalition den Druck der EU-Kommission mit Blick auf die Erfüllung der Klimaziele in den Niederlanden ignorieren sollte.

Nur knapp jeder Fünfte vertraut der EU

So sehr die Landwirte auch auf ein neues Kabinett hoffen, so pessimistisch sind sie gegenüber der Europäischen Union eingestellt. Nur 18% der Umfrageteilnehmer gaben an, Vertrauen in die Gemeinschaft zu haben. Trotz der Agrarsubventionen und der mit dem Binnenmarkt verbundenen Exportchancen verknüpften 43% mit der EU eher Nachteile; Vorteile sahen nur 27%. Allerdings befürworten zwei Drittel, dass die Niederlande EU-Mitglied bleibt. Als wichtigster Grund dafür wurde angeführt, dass die Zusammenarbeit in der EU gut für die niederländische Wirtschaft und Landwirtschaft sei.

Zudem äußerten 45% durchaus Verständnis dafür, dass die EU von ihnen verlange, nachhaltiger zu wirtschaften. Allerdings seien die Bedingungen für die Subventionen zu streng. Einige der befragten Landwirte plädierten indes für die Abschaffung des Beihilfesystems: „Ich würde lieber mehr Freiheit und Raum haben, um Produkte zu erzeugen, die der Markt verlangt“, so ein Bauer. Außerdem äußerten 72% die Ansicht, dass sie auch ohne EU-Geld über die Runden kommen könnten; 23% glauben das nicht.

Agractie ist beliebteste Interessenvertretung

Um politische Veränderungen zu erzwingen, halten 43% der Befragten auch „harte Maßnahmen“ für zulässig. Von den größeren Interessenverbänden der Landwirte genießt Agractie, die mehrere Bauernproteste in Brüssel organisiert hat, das meiste Vertrauen mit einem Anteil von 69% aller Umfrageteilnehmer. Die älteste und einflussreichste Organisation, der Bauernverband LTO Nederland, kommt auf 57%. Dort sei zwar viel Fachwissen verfügbar, aber es bestehe eine zu große Abhängigkeit von der Regierungspolitik, so die Kritik. Derweil unterstützen nur 38% der Befragten die Bewegung Farmers Defence Force (FDF). „Kein Realismus“, „zu extrem“ und „schreit viel, denkt aber nicht“ lauteten die Begründungen für die relativ schwache Zustimmung. AgE

Beitrag teilen: |

Partner

Newsletter

Abonnieren Sie unsere Newsletter und bleiben Sie immer auf dem Laufenden, bei den Themen, die Sie interessieren!

Zur Anmeldung: