Seit 1879 Lebensmittelindustrie und Milchwirtschaft

Auch Fleisch- und Wurstwaren künftig nur noch aus höchsten Haltungsformen

14. Februar 2023

Sortimentsumbau soll 2030 abgeschlossen sein – Ausgenommen sind internationale Spezialitäten – Özdemir begrüßt die Pläne – DBV und ISN: „Konsequentes“ Vorgehen von Aldi – Politik muss beim Umbau der Tierhaltung jetzt vorankommen – Tierschützer zweifeln am „Haltungsform“-Konzept – Ruf nach mehr veganen Produkten

Foto: ALDI

Aldi Nord und Aldi SÜD wollen nun auch ihr Sortiment an gekühlten Fleisch- und Wurstwaren in Deutschland vollständig auf die Haltungsformen drei und vier umstellen. Das haben die Unternehmensgruppen am vergangenen Donnerstag (9.2.) mitgeteilt. Bereits jetzt stammen 90 % der angebotenen Fleisch- und Wurstwaren aus Haltungsform zwei und höher. Bis 2025 will das Unternehmen vollständig auf Ware aus Haltungsform eins verzichten. Bis 2026 soll ein Drittel der Fleisch- und Wurstwaren, bis 2030 das gesamte Angebot aus den Haltungsformen drei und vier stammen. Die Pläne beziehen sich auf das Warenangebot aus Rind-, Schweine-, Hähnchen- und Putenfleisch. Ausgenommen sind allerdings internationale Spezialitäten sowie Convenience-Produkte und Fertiggerichte. Mit dem aktuellen Schritt im Rahmen der Initiative „Haltungswechsel“ will Aldi laut eigenen Angaben den Lieferanten ermöglichen, dass ein größerer Teil des Tieres besser vermarktet werden kann. Zugleich soll dem Kunden ein nachhaltiger Einkauf ermöglicht werden, und zwar „stets zum besten Preis-Leistungs-Verhältnis“. Bereits 2021 hatten Aldi Nord und Aldi SÜD beim Frischfleisch die vollständige Umstellung auf die beiden höchsten Haltungsformen verkündet.

Mehr politisches Engagement

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir begrüßte die jetzt vorgestellten Unternehmenspläne und bekräftigte zugleich sein eigenes Engagement für den Umbau der Tierhaltung. Der Deutsche Bauernverband (DBV) und die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) sprachen von einem „konsequenten“ Vorgehen von Aldi und mahnten politisches Engagement für den Umbau der Tierhaltung an. Von Tierschutzorganisationen kam erwartungsgemäß Lob. Sie machten aber auch weiteren Handlungsbedarf aus, etwa beim Ausbau des Angebots an veganen Produkten und der geplanten Tierhaltungskennzeichnung der Bundesregierung. Foodwatch hatte kürzlich grundsätzliche Kritik am Konzept der „Haltungsform“ geübt. Bislang litten Tiere in allen Haltungsstufen „unter schweren, produktionsbedingten Krankheiten“.

Minister verspricht Unterstützung

Özdemir sieht in höheren Haltungsformen die Zukunft. Der Markt verändere sich. Der Fleischkonsum gehe beständig zurück und gleichzeitig wollten die Verbraucher mehr Tierwohl. „Darauf zu reagieren ist Marktwirtschaft, nichts anderes“, so Özdemir. Mit seinem aktuellen Vorgehen sende der Lebensmitteleinzelhandel „ein wichtiges Signal an unsere Landwirtinnen und Landwirte, dass die Nachfrage nach Produkten aus tiergerechterer Haltung steigt und sich damit Geld verdienen lässt“. Das Bekenntnis der Unternehmen gebe den heimischen Höfen eine planungssichere Perspektive. „Und daran werden wir gemeinsam weiterarbeiten“, versicherte Özdemir. Die Ampelkoalition lasse die Landwirtschaft nicht allein und unterstütze mit einem Gesamtkonzept zum Umbau der Tierhaltung. Das staatliche Tierhaltungskennzeichen mache die Anstrengungen verlässlich sichtbar und gebe den Konsumenten damit eine echte Wahl für mehr Tierschutz. Darüber hinaus werde eine europäische Herkunftskennzeichnung gebraucht, damit diese Leistungen auch im Vergleich zu ausländischen Produkten klar erkennbar seien.

Möglichkeiten schaffen

Für DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken ist der Schritt von Aldi „konsequent, folgerichtig und entspricht unserer Forderung“. Wer es mit der Umstellung auf Haltungsformen drei und vier ernst meine, müsse die Fleisch- und Wurstwaren einbeziehen. Jetzt müsse gemeinsam verhindert werden, dass die Bundesregierung solche Initiativen mit einem schlecht gemachten Tierwohlkennzeichen konterkariere, appellierte Krüsken. Bestehende Programme wie die „Initiative Tierwohl“ (ITW) müssten integriert werden. Außerdem müsse der Umbau von Ställen überhaupt möglich gemacht werden, baurechtlich wie fördertechnisch. Das forderte auch ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack.

Herkunft Deutschland wichtig

Daneben verlangte der ISN-Geschäftsführer von Aldi Ehrlichkeit. „Wir haben immer gefordert, dass unter anderem auch die verarbeitete Ware in gleicher Weise wie das Frischfleischsegment in die Kennzeichnung einbezogen werden muss“, erklärte Staack. Wichtig sei parallel dazu aber auch ein „Bekenntnis zur Herkunft Deutschland“. Es dürfe keine umsatzstarken Verkaufsaktionen mit auch zukünftig nicht kennzeichnungspflichtigem, eventuell sogar zu geringeren Standards erzeugtem Fleisch aus dem Ausland geben. Außerdem seien höhere Haltungsformen nicht zum Nulltarif zu haben, unterstrich der ISN-Geschäftsführer. Derart hohe Investitionen wie der Stallumbau seien für Schweinehalter nicht ohne Planungssicherheit und langfristig auskömmliche Erlöse möglich.

Vorwurf an die Produzenten

Die Tierschutzorganisation Provieh begrüßte die Ankündigung von Aldi. „Trotz der Krisen, dem aktuellen Rückgang im Kauf von ‚Tierwohl‘-Produkten und dem fehlenden Konzept für einen flächendeckenden Umbau der Tierhaltung durch die Politik“ halte Aldi an seinem Vorhaben fest, ab 2030 vorwiegend nur noch Fleisch von Tieren aus Außenklima- und Premium-Haltungen anzubieten. Es sei zu hoffen, dass die Branche und die Politik endlich wieder an einem Strang zögen, um die Tierhaltung weitgehend umzubauen. Der Deutsche Tierschutzbund sprach von einem „Weckruf für die Bundesregierung“, jetzt die Weichen zu stellen, um bessere Tierschutzstandards zu erreichen. Das geplante Tierhaltungskennzeichen trage dazu nicht bei. Darüber hinaus warnte der Deutsche Tierschutzbund, dass die Haltungsformen drei und vier nicht automatisch ein Höchstmaß an Tierschutz bedeuteten. Es entstünden „aktuell viele Programme, die sich innerhalb der Stufen einen Unterbietungswettbewerb liefern, mit nur wenigen Kriterien und einer unzureichenden Kontrolldichte“. Der Handel müsse da sehr genau hinschauen, wenn er wirklich und dauerhaft mehr Tierschutz fördern wolle.

Auf Gesundheit fokussieren

Greenpeace sieht in den Plänen von Aldi einen wichtigen Schritt zur Verringerung des Tierleids. Zugleich bekämen die Landwirte als Lieferanten jetzt mehr Planungssicherheit. Die Umweltorganisation rief Aldi aber auch dazu auf, weniger Fleisch anzubieten und das vegane und vegetarische Angebot auszubauen. Die Organisation Vier Pfoten hält es wiederum für wichtig, dass Aldi seine Kunden nicht nur über die Haltungsstufen drei und vier, sondern auch über eins uns zwei informiert. Der Kunde müsse wissen, „wie schlecht Tiere in den unteren beiden Stufen leben müssen“. Foodwatch hingegen geht nicht davon aus, dass die Haltungsform der richtige Ansatz für mehr Tierwohl ist. Ob Hühner, Schweine oder Kühe gesund seien, hänge nicht nur davon ab, ob der Stall ein paar Zentimeter größer sei oder Stroh auf dem Boden liege, sondern ganz entscheidend auch vom Stallmanagement. Daher müsse der Gesundheitszustand von Nutztieren für jeden Betrieb systematisch erfasst werden. AgE

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