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Energiekosten: Rufe aus dem Agrar- und Ernährungssektor nach Entlastung

5. September 2022

Mehrwertsteuersenkung auf Gas hilft nicht – Gartenbauer sowie das Bäckerhandwerk und die Süßwarenindustrie mahnen Hilfsmaßnahmen auch für die Unternehmen an – ZVG-Präsident Mertz schreibt an Özdemir und Habeck – BDSI: Süßwarenhersteller erleben beispiellose Belastungen – Umlage gilt nicht für Flüssiggas – Nordzucker stellt wieder auf Erdöl um

Erste Unternehmen reagieren auf die hohen Gaspreise und den drohenden Gasmangel. So kündigte die Nordzucker AG laut „NDR“ an, in ihren Werken in Niedersachsen wieder auf Erdöl umzustellen. Dieser Schritt sei notwendig, um genug Zucker produzieren zu können. Foto: Pixabay

Angesichts hoher Energie-und Rohstoffpreise und der jetzt bekanntgegebenen Gasumlage mehren sich die Rufe aus dem Agrar- und Ernährungssektor nach weiteren Entlastungen. Der Zentralverband Gartenbau (ZVG) gibt in einem Schreiben an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck zu bedenken, dass die von Bundeskanzler Olaf Scholz angekündigte Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas von 19 % auf 7 % den Privatverbrauchern helfe, nicht aber der Wirtschaft. Er fordert kostendämpfende Maßnahmen auch für die Betriebe, die über die bisherigen Beihilfeansätze hinausgehen. „Um die regionale Produktion zu erhalten und die Unternehmen vor Ort zu entlasten, brauchen die Betriebe dringend eine Perspektive und ein Signal der Unterstützung“, betont ZVG-Präsident Jürgen Mertz in dem Brief. Alarm schlug zudem das Bäckerhandwerk. Die Gasumlage bereite den Betrieben zusätzliche Sorgen, erklärte der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks am 16.8. Kein Ofen, kein Brötchen – doch dass das Bäckerhandwerk zu den energieintensiven Branchen zähle, scheine der Bundesregierung nicht klar zu sein. Trotz einer bestätigten Systemrelevanz stünden die fast 10 000 Betriebe ratlos da, wenn sie nun ihre Kalkulationen für die kommenden Monate machten. Auch der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI) mahnte eine deutliche Entlastung insbesondere der klein- und mittelständischen Unternehmen an. Die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) wies darauf hin, dass aus Propan und Butan bestehendes Flüssiggas von der Gasumlage nicht betroffen sei. Derweil reagieren erste Unternehmen auf die hohen Gaspreise und den drohenden Gasmangel. So kündigte die Nordzucker AG laut „NDR“ an, in ihren Werken in Niedersachsen wieder auf Erdöl umzustellen. Dieser Schritt sei notwendig, um genug Zucker produzieren zu können.

Kostenzuschuss erforderlich

Der ZVG weist in seinem Schreiben darauf hin, dass die bislang beschlossenen Maßnahmen nur bedingt dem energieintensiven Unterglasanbau helfen. Die Kostenbelastungen der Betriebe überstiegen derzeit bei Weitem das, was am Markt mit den Produkten erwirtschaftet werden könne. Bereits mit der Einführung der CO2-Bepreisung 2021 seien die Energiekosten für den Gartenbau massiv gestiegen, gibt Mertz zu bedenken. Die aktuellen Preisentwicklungen am Energiemarkt und die geplante Gasumlage verteuerten die Produktion zusätzlich. Die Absenkung der Mehrwertsteuer auf Gas bedeute aber keine Entlastung für die Wirtschaft. Der ZVG fordert daher, die CO2-Bepreisung im Gartenbau für drei Jahre auszusetzen, um diese Belastung nicht zusätzlich schultern zu müssen. Außerdem hält er es für dringend erforderlich, vorübergehend die Energiesteuer auf null zu setzen, so lange die Energiepreise krisenbedingt so hoch sind. Ferner benötigten die energieintensiven Gartenbauunternehmen einen zeitlich befristeten Kostenzuschuss. Mertz hebt hervor, dass der Gartenbau in den vergangenen zwei Jahren im besonderen Maße gezeigt habe, welche Bedeutung seine Produkte und Dienstleistungen haben, um den Menschen Ausgleich in Krisensituationen zu schaffen und zur Selbstversorgung und Stressbewältigung beizutragen. Die gärtnerischen Betriebe hätten sich bereits auf den Weg gemacht, um ihren Energieverbrauch um mindestens 15 % bis zum Frühling zu reduzieren. „Das ist auch unser Anspruch“, so der Verbandspräsident.

Teuerstes EU-Land

Auch der BDSI fordert eine Aussetzung der Erhöhung der CO2-Abgabe, zudem Steuersenkungen für Unternehmen und passgenaue Förderprogramme. Die bestehenden Förderprogramme seien kompliziert und gingen bei den Anforderungen an der Realität vorbei, etwa wenn die Kostensteigerung aufgrund der Gasumlage nicht berücksichtigt werden dürfe, kritisierte der Verband. Somit böten sie für die Mehrzahl der Unternehmen keinerlei Entlastung. Der BDSI wies darauf hin, dass die Gaspreise ab Oktober mit der Umlage um zusätzliche 2,419 Cent/kWh steigen würden. Während die Terminpreise für Jahreskontrakte vor einem Jahr bei 15 Euro bis 30 Euro pro Megawattstunde gelegen hätten, bewegten sie sich zuletzt zwischen 60 Euro und 200 Euro. Das seien Preissteigerungen von mehr als 400 %. Auch für Strom müssten die Unternehmen in keinem anderen EU-Land so viel zahlen wie in Deutschland, stellte der BDSI-Hauptgeschäftsführer Dr. Carsten Bernoth fest. Hinzu kämen drastisch gestiegene Kosten für Rohstoffe und Logistik. Die überwiegend mittelständischen Unternehmen der deutschen Süßwarenindustrie erlebten „bisher beispiellose Belastungen und Versorgungsunsicherheiten“. Die Unternehmen brauchten jetzt dringend Planungssicherheit und finanzielle Entlastungen, so Bernoth.

Nicht auf Leitungsnetze angewiesen

Haushalte und Betriebe, die mit Flüssiggas aus Propan oder Butan versorgt werden, sind bei der Gasumlage außen vor. Der Deutsche Verband Flüssiggas (DVFG) habe klargestellt, dass die mehr als 650 000 Haushalte in Deutschland, die derzeit abseits des Erdgasnetzes mit Flüssiggas heizten, sowie auch andere Flüssiggasnutzer, wie zum Beispiel Schweinebetriebe, nicht von der Gasumlage betroffen seien, berichtete die ISN. Die Umlage gelte nur für Erdgas. Ein Großteil des in Deutschland verbrauchten Flüssiggases wird der Interessengemeinschaft zufolge in den Raffinerien im Raum Amsterdam, Rotterdam, Antwerpen (ARA) gewonnen. Per Schiff, Schiene und Straße werde das Flüssiggas an die Endabnehmer in Deutschland geliefert. Die Flüssiggaskunden seien nicht auf Leitungsnetze angewiesen und damit unabhängig von Erdgas und Fernwärme. Die ISN zitierte das Bundeswirtschaftsministerium, wonach die befristete Gasumlage erhoben werde, um die Wärme- und Energieversorgung in der kommenden Kälteperiode zu sichern. Ziel sei es, in der deutschen und europäischen Energiekrise die Gasversorgung für die Bürger und die Wirtschaft zu sichern. AgE

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