Tierschutznovelle: Ampel will Einigung bis Weihnachten
Zwischen den Fraktionen bestehen große Meinungsunterschiede.
Die Koalitionsfraktionen ringen um einen gemeinsamen Antrag zur Novelle des Tierschutzgesetzes. Laut FDP-Berichterstatter Ingo Bodtke sind für die kommenden Sitzungswochen bislang neun Verhandlungstermine angesetzt. Bis wann ein Kompromiss stehen könnte, lässt der FDP-Politiker offen. Eine Verabschiedung des Gesetzes vor Weihnachten sei möglich, aber nicht zwingend. Er werde sich zeitlich nicht unter Druck setzen lassen, betonte Bodtke. Für ihn ist absehbar, dass eine Einigung im Haustierbereich leichter zu erreichen sein wird als bei Nutztieren.
Die SPD-Tierschutzbeauftragte Anke Hennig sprach von wichtigen Erkenntnissen, die sich für die Verhandlungen aus der öffentlichen Anhörung zur Novelle am Montag (14.10.) im Ernährungsausschuss des Bundestages ergäben. Hennig bezog sich dabei ausdrücklich auf die Ausführungen der Bundestierschutzbeauftragten, Ariane Kari. Sie hatte sich unter anderem gegen eine weitere Aufweichung der Regelungen zur Kombinationshaltung und des Tierärztevorbehalts beim Enthornen ausgesprochen.
Der Berichterstatterin der Grünen, Dr. Zoe Mayer, gibt die Anhörung zur Novelle des Tierschutzgesetzes Rückenwind für die weiteren parlamentarischen Verhandlungen. „Wir Grüne haben das Ziel, weitere Missstände konsequent zu bekämpfen, um daraus tatsächlich einen großen Wurf für den Tierschutz in Deutschland zu machen“, bekräftigte Mayer.
Nicht ausreichend
Aus den Einlassungen der Stellvertretenden Vorsitzenden der Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutzrecht, Dr. Barbara Felde, sei hervorgegangen, „dass der aktuelle Gesetzesentwurf in die richtige Richtung weißt, an vielen Stellen allerdings noch nicht ausreicht, um dem Handlungsauftrag des Staatsziels Tierschutz an den Gesetzgeber nachzukommen“, sagte Mayer gegenüber AGRA Europe. Dies beziehe sich explizit auch auf die landwirtschaftlich relevanten Punkte, etwa das Verbot der Anbindehaltung. Die Grünen-Politikerin wies darauf hin, dass sich auch die Bundesländer mit zahlreichen Empfehlungen im Sinne des Tierschutzes klar hinter eine Reform gestellt hätten.
Für Bodtke sind hingegen praktikable Tierschutzregeln ein wichtiges Ziel der anstehenden Verhandlungen. Die Vorgabe, die Schwänze der Ferkel maximal um ein Drittel zu kürzen, falle nicht darunter. Diese Regelung sei für die Liberalen ebenso wenig akzeptabel wie der vorgesehene Tierärztevorbehalt für die Betäubung beim Enthornen der Kälber. Der FDP-Politiker wies darauf hin, dass bereits jetzt in vielen ländlichen Gebiete Tierärzte fehlten. Dieser Mangel werde sich in den kommenden Jahren noch verschärfen. Schließlich werde er sich dafür einsetzen, dass die saisonale Anbindehaltung weiter möglich bleibe. An der zehnjährigen Übergangsfrist für ein Verbot der Anbindehaltung werde man festhalten.
Praxisfern und handwerklich schlecht
Scharfe Kritik am Gesetzentwurf kam aus der Union. Nach Ansicht von Agrarsprecher Albert Stegemann wird er dazu führen, „dass die Tierhaltung in Deutschland sukzessive abgeschafft wird.“ Ein effektiver und zielführender Tierschutz funktioniere im EU-Binnenmarkt nur in einem gemeinsamen Rechtsrahmen. Der vorliegende Entwurf sei praxisfern und handwerklich schlecht gemacht.
Berichterstatterin Astrid Damerow monierte unverhältnismäßig viel Bürokratie und Rechtsunsicherheiten, die mit der Vorlage verbunden seien. Der Entwurf sei von Misstrauen gegenüber den vielen tausend verantwortungsvollen Tierhalterinnen und Tierhaltern im Land geprägt.
Der agrarpolitische Sprecher der CSU im Bundestag, Artur Auernhammer, befürchtet, dass die geplanten Regelungen zur Anbindehaltung einen Strukturbruch in der Landwirtschaft massiv beschleunigen werden. Insbesondere kleinbäuerliche Betriebe würden vielfach aufgeben. Die Folge davon werde sein, dass Tierhaltung ins Ausland verlagert werde.
Erheblicher Korrekturbedarf
Aus Sicht von DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken hat die Anhörung bestätigt, dass es sowohl im Grundsätzlichen als auch im Detail Korrekturbedarf beim Regierungsentwurf gebe. „Viele der vorgeschlagenen Regelungen liefern keinen Mehrwert beim Tierschutz, sondern bauen Bürokratie auf, beschleunigen die Verlagerung der Tierhaltung ins europäische Ausland oder sind für Landwirte und Behörden schlichtweg nicht sinnvoll umsetzbar“, so Krüsken. Das betreffe vor allem die Regelungen zum langen Ringelschwanz bei Schweinen, zum Enthornen sowie zur Anbinde- und Kombinationshaltung. „Hier muss die Ampelkoalition in den anstehenden Beratungen nachbessern“, betonte Krüsken.
Der Bundesverband Praktizierender Tierärzte (bpt) kritisierte in der Anhörung, dass im Entwurf unnötige Bürokratie aufgebaut werde, ohne dass damit ein Nutzen für den Tierschutz verbunden sei. Als Beispiel nannte bpt-Präsidiumsmitglied Dr. Andreas Palzer eine Verdreifachung der jährlichen Dokumentationspflichten beim Schwänzekupieren. Der Tierarzt verwies zudem auf ungeklärte Fragen im Zusammenhang mit den Schanzbeißen, das in allen Haltungsformen vorkomme. Hier müsse eine intensive Ursachenforschung vor neuen gesetzlichen Regelungen stehen.
Für viele Betriebe nicht machbar
Die Direktorin des Fachbereichs Erzeugung und Vermarktung im Bayerischen Bauernverband (BBV), Isabella Timm-Guri, warnte erneut vor einem Strukturbruch in der bayerischen Milchviehhaltung. Ihren Angaben zufolge ist der im Gesetzentwurf geforderte Auslauf im Winter für zwei Drittel der Betriebe in Dorflage nicht machbar. Nicht akzeptabel sei zudem ein Verbot, neu in die Kombinationshaltung einzusteigen.
Die Geschäftsführerin Wissenschaft beim Deutschen Tierschutzbund, Dr. Esther Müller, forderte hingegen ein vollständiges Verbot der Anbindehaltung. Zudem erwarte der Tierschutzbund das vollständige Verbot „tierschutzwidriger Haltungssysteme“ wie Käfig-, Kastenstand- und Anbindehaltung sowie ein Verbot schmerzhafter Eingriffe und Amputationen ohne medizinische Indikation. AgE