Seit 1879 Lebensmittelindustrie und Milchwirtschaft

Zeitenwende auch für die Milchwirtschaft

8. September 2022

Pflanzliche Alternativen werden Konkurrenten für klassische Trinkmilch – Initiative Milch will mit moderner Kommunikation bei jungen Leuten gegensteuern – Eco-Schemes für intensiv wirtschaftende Milchviehhalter wenig attraktiv – Milcherzeugervereinigung Schleswig-Holstein sieht staatliche Tierhaltungskennzeichnung kritisch

Foto: Pixabay

Eine „Zeitenwende“ ist derzeit auch in der deutschen Milchbranche zu spüren. Das ist bei der „Milchwirtschaftlichen Kundgebung“ deutlich geworden, die Ende August in Rendsburg stattfand. Der Vorsitzende der Milcherzeugervereinigung Schleswig-Holstein (MEV), Klaus-Peter Lucht, zeigte sich vor allem von der Ausgestaltung der Öko-Regelungen in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union wenig erfreut. Da sei nichts Attraktives für intensiv wirtschaftende Milchviehbetriebe dabei, monierte er. Aus dem System der Prämienzahlungen auszusteigen, könnte allerdings zu einem schärferen Ordnungsrecht führen. „Wir müssen in ein anderes System kommen“, forderte der MEV-Vorsitzende und verwies auf das Potential des Punktesystems des Deutschen Verbandes für Landschaftspflege (DVL). Zum Einsatz von Antibiotika merkte er an: „Wir sollten darauf achten, dass es uns um Tierwohl und Tiergesundheit geht. Stumpfe Reduktionsziele lehne ich aber ab.“ Verständnis zeigte Lucht aber für die Forderung, keine Reserveantibiotika in der Tierhaltung einzusetzen, was er unterstütze. Kritisch beurteilt Lucht die Pläne des Berliner Agrarressorts zur staatlichen Tierhaltungskennzeichnung. So müssten beispielsweise die bestehenden Systeme besser in das staatliche integriert werden, um mögliche Doppelkontrollen zu vermeiden.

Mehr Wertschätzung für Milch

Um das lange Zeit gute Image der Milch aufrechtzuerhalten oder gar zu verbessern, muss nach Auffassung der Projektkoordinatorin der Initiative Milch (IM), Mareike Jens, wieder eine höhere Wertschätzung für das Naturprodukt erreicht werden. „Wir kriegen auf dem Land nicht viel mit, zum Beispiel wie stark Hafer- oder Mandeldrinks in Städten als klimaschonend beworben werden“, berichtete Jens. Die Stimme der Kuhmilch sei im urbanen Bereich bisher sehr leise gewesen. Das solle sich durch die Initiative Milch nun aber ändern. Die Initiative wolle die Milch digitaler machen und Fakten sprechen lassen, aber auch Empathie erzeugen. „Wir gucken uns an, was vor allem junge Menschen begeistert, und klinken uns da ein“, erläuterte Jens. Zielgruppe sei vor allem die „Generation Z“ der Jahrgänge 1995 bis 2010. Diese halte Milch oft nicht mehr für ein besonders wichtiges Lebensmittel. Dabei besitze diese ein hohes Potential in Sachen Gesundheit, Vielfalt und Genuss. Um dieses bei der jungen Stadtbevölkerung zu heben, werden laut Jens die Social-Media-Kanäle Instagram, TikTok und YouTube genutzt. Dort würden positive Botschaften zur Milch verbreitet, wozu auch ein Netzwerk von Influencern gebildet werde. 

Preissensible Verbraucher

Der Milchexperte Prof. Holger Thiele von der Fachhochschule Kiel berichtete, dass Schleswig-Holstein beim Auszahlungspreis für Milch im Bundesländervergleich aktuell eher untypischerweise die Nase vorn habe, was auch am Produktportfolio der dort ansässigen Molkereien liege. Im Süden seien die Markenartikelhersteller stärker vertreten, die sich bei der Kaufzurückhaltung der Verbraucher in Inflationszeiten schwerer täten. Ungewöhnlich sei zudem, dass sich konventionelle und Biomilchpreise stark angenähert hätten, merkte der Experte an. Der Unterschied betrage nur noch rund 4 Cent/kg Milch; in den Jahren von 2018 bis 2021 habe dieser durchschnittlich bei 14 Cent/kg gelegen. „Anscheinend sind unsere Verbraucher ab einem gewissen Niveau preissensibel und zeigen, dass sie nicht jeden Preis mitgehen“, schlussfolgerte Thiele. So sei die Absatzmenge von Biokonsummilch im ersten Halbjahr 2022 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 2,7 % gesunken. Daraus lasse sich aber noch nicht eine generelle Trendumkehr weg von der Biomilch ableiten. Die Absatzflaute betreffe allerdings auch Milch mit anderen Sonderqualitäten wie Tierwohlmilch. Der Experte geht davon aus, dass hohe Energiekosten und Kaufkraftverluste der Verbraucher wieder zu sinkenden Milchpreisen führen werden. Der Kieler Rohstoffwert Milch sei ein guter Indikator für die zukünftige Milchpreisentwicklung. Dieser zeige nach seinem Höchststand im April nun eine moderat sinkende Tendenz; er befinde sich im Vergleich zu früheren Jahren aber noch auf einem hohen Niveau. AgE

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