Seit 1879 Lebensmittelindustrie und Milchwirtschaft

Abschluss der Freihandelsgespräche mit Neuseeland

6. Juli 2022

Die EU-Kommission sieht „wesentlich bessere Möglichkeiten“ beim Marktzugang für EU-Landwirte – Importzölle für Schweinefleisch werden von Wellington direkt aufgehoben – Neuseeland darf deutlich mehr Milchprodukte als bisher in die EU liefern – Quote für neuseeländisches Schaffleisch steigt um 38 000 Tonnen im Jahr – Viele geografische Angaben werden geschützt

Foto: Pixabay

Die Europäische Union und Neuseeland haben sich auf ein Freihandelsabkommen geeinigt. Wie EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis und der neuseeländische Handelsminister Damien O’Connor in Brüssel erklärten, haben sich „zwei gleichgesinnte Partner“ mit jeweils sehr hohen Lebensmittelstandards auf ein Abkommen mit hohen Nachhaltigkeitsstandards verständigt. Dieses sieht die Abschaffung aller Zölle auf EU-Ausfuhren nach Neuseeland vor. Laut Dombrovskis sind im Abkommen „beispiellose“ Nachhaltigkeitsverpflichtungen enthalten, einschließlich der Einhaltung des Übereinkommens von Paris und der grundlegenden Arbeitnehmerrechte. Diese Verpflichtungen könnten durch Handelssanktionen als letztes Mittel durchgesetzt werden, so der ehemalige lettische Ministerpräsident. O’Connor stellte zugleich klar, dass er aufgrund der vergleichbaren Standards keine ernstzunehmenden Probleme bei der beiderseitigen Durchsetzung erwarte. Gemäß der EU-Kommission dürfte der bilaterale Handel dank der Übereinkunft um bis zu 30 % wachsen, wobei sich die jährlichen EU-Ausfuhren um bis zu 4,5 Mrd Euro erhöhen könnten. Dieses Abkommen kann Unternehmen in der Europäischen Union ab dem ersten Jahr der Anwendung einen Zollabbau in Höhe von etwa 140 Mio Euro bringen. Im Hinblick auf den Agrarsektor unterstreicht die EU-Kommission, dass die hiesigen Landwirte unmittelbar nach Inkrafttreten des Abkommens „wesentlich bessere Möglichkeiten“ haben werden, ihre Erzeugnisse in Neuseeland zu verkaufen. Vom ersten Tag an würden die Zölle auf wichtige EU-Ausfuhrprodukte wie Schweinefleisch, Wein und Sekt, Schokolade, Zuckerwaren und Kekse aufgehoben.

Zugeständnisse bei Milchprodukten

Verbleibende Handelsschranken gibt es derweil für einige Agrarprodukte aus Neuseeland. Allerdings werde das Land künftig zusätzlich bis zu 25 000 t Käse im Jahr zollfrei in die Europäische Union exportieren dürfen, berichteten Verhandlungsteilnehmer. Eingeführt werden soll die Quote schrittweise im Rahmen der siebenjährigen Übergangszeit. Bisher beläuft sich die entsprechende Quote auf 11 000 t jährlich. Offenbar hatten die EU-Verhandlungsführer kurz vor Abschluss der Gespräche ihr Angebot noch nachgebessert, da gut informierte Kreise zuvor mit einem zusätzlichen Kontingent von nur 20 000 t gerechnet hatten. Laut Kommission machen die nun gewährten 25 000 t aber lediglich 0,27 % des EU-Verbrauchs aus. Auch für Milchpulver – sowohl Voll- und Magermilchpulver – öffnet Brüssel seinen Markt für Importe aus Neuseeland. Hier beträgt die zugesagte Menge nach einer schrittweisen Einführung zum Abschluss der siebenjähren Übergangsfrist 15 000 t, die mit einem ermäßigten Zollsatz von 20 % belastet werden. Der Kommission zufolge entspricht das Volumen 1,3 % des gesamten Voll- und Magermilchpulverkonsums in der EU. Weitere Handelsliberalisierungen soll es gemäß der Übereinkunft auch für Butter geben. Für 15 000 t im Jahr wird es einen reduzierten Zollsatz von 5 % geben. Diese sollen im Ganzen 0,71 % des EU-Verbrauchs entsprechen. Bisher lag die Quote bei knapp 75 000 t.

Kein Fleisch von Feed-Lots

Für Schaffleisch wurde Neuseeland ebenfalls bei schrittweiser siebenjähriger Anhebung eine Erhöhung der zollfreien Importmenge um 38 000 t Schlachtkörperäquivalent eingeräumt. Dazu hieß es aus der Kommission, dass der Handelspartner seine derzeitige Importquote von 126 000 t Schaffleisch bisher nicht ausschöpfe. Für neuseeländisches Rindfleisch beträgt die Quote zum Abschluss 10 000 t, die zu einem präferierten Zollsatz von 7,5 % in die EU importiert werden dürfen. Dies entspricht laut der Brüsseler Behörde nur 0,15 % des EU-Bedarfs. Zum Start beläuft sich das Importkontingent auf 2 000 t. Zugleich heißt es, dass ausschließlich hochqualitatives grasgefüttertes Rindfleisch über das genannte Zollkontingent eingeführt werden dürfe. Fleisch aus umstrittenen Feed-Lots sei ausgeschlossen, heißt es aus Brüsseler Verhandlungskreisen. Des Weiteren wurden auch begrenzte Einfuhrkontingente für Ethanol und Zuckermais zugesagt.

Fast 2 000 Bezeichnungen

Wie die Kommission hervorhebt, wird mit dem Abkommen die gesamte Liste an geografischen Bezeichnungen für EU-Weine und -Spirituosen – insgesamt fast 2 000 – im Rahmen gewisser Übergangsfristen geschützt. Beispielhaft genannt werden von der Brüsseler Behörde Prosecco, Polska Wódka, Rioja, Champagne und Tokaji. Darüber hinaus würden 163 „der bekanntesten geografischen Angaben“, so zum Beispiel Asiago-, Feta-, Comté- oder Queso Manchego-Käse, Lübecker Marzipan und Münchener Bier, von Neuseeland anerkannt.

EU unterstreicht eigene Standards

Mit Nachdruck stellt die Kommission fest, dass das Handelsabkommen nicht die EU-Rechtsvorschriften zur Lebensmittelsicherheit sowie zur Tier- und Pflanzengesundheit berühren oder untergraben. Konkret werde das strenge Konzept für den Gesundheitsschutz in allen Fragen der Lebensmittelsicherheit beibehalten, einschließlich der Regeln zu genetisch veränderten Organismen (GVO). Ferner würden die Rückstandshöchstwerte für Pflanzenschutz- und Tierarzneimittelwirkstoffen nach EU-Recht festgelegt und umgesetzt. Auch bei der Festlegung von Sicherheitskriterien für Produkte, die auf den EU-Markt gelangten, bleibe die EU „völlig unabhängig“. Klargestellt wird zudem, dass mit der Einigung das Recht der EU bekräftigt worden sei, die Lebensmittelsicherheit im Interesse der Gesundheit der europäischen Verbraucher zu regeln. Schließlich verweist die Brüsseler Behörde auf die Festschreibung des „Vorsorgeprinzips“, das es der EU erlaube, Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit ihrer Bürger zu ergreifen, sofern die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Sicherheit importierter Lebensmittel nicht eindeutig seien.

Rat muss noch zustimmen

Die ausgehandelten Entwürfe sollen nun in Kürze veröffentlicht werden. Nach Abschluss der sogenannten „Rechtsförmlichkeitsprüfung“ wird der Entwurf in alle Amtssprachen der EU übersetzt. Im Anschluss wird die Kommission das Abkommen dem Rat zur Unterzeichnung und zum Abschluss übermitteln. Nach der Annahme durch diesen können die EU und Neuseeland die Handelsübereinkunft unterzeichnen. Nach der Unterzeichnung wird der Text an das Europaparlament übermittelt. Nach dessen Zustimmung und der Ratifizierung durch Neuseeland kann das Abkommen schließlich in Kraft treten. AgE

Beitrag teilen: |

Partner

Newsletter

Abonnieren Sie unsere Newsletter und bleiben Sie immer auf dem Laufenden, bei den Themen, die Sie interessieren!

Zur Anmeldung: