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Ukrainische Agrarlieferungen: Einigung mit den östlichen EU-Mitgliedstaaten

von | 10. Mai 2023

Vier Länder heben ihre unilateralen Handelsschutzmaßnahmen auf – EU-Kommission erlaubt für Ukraine-Anrainer nur noch den Transit von Getreide und Ölsaaten – 100 Millionen-Euro-Paket aus der Agrarreserve auf dem Weg – Polen erhält 39,33 Millionen Euro und Rumänien 29,73 Millionen – Warnung vor drohendem Überangebot in Ländern wie Deutschland oder Tschechien

Die von Polen, Ungarn, der Slowakei und Bulgarien unilateral verhängten Importverbote für ukrainische Agrarprodukte werden aufgehoben. Im Gegenzug erhalten die vier Staaten sowie Rumänien zur Abfederung der Agrareinfuhren aus der Ukraine 100 Mio Euro aus der Agrarreserve der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Wie die Brüsseler Kommission mitteilte, ist zudem seit Dienstag vergangener Woche (2.5.) durch autonome EU-Handelsschutzmaßnahmen der Import von Weizen, Mais sowie Sonnenblumen- und Rapssamen aus dem Kriegsland in die fünf östlichen EU-Mitgliedsländer nur noch im Transit zulässig. Laut Kommission gilt diese Bestimmung zunächst bis zum 5. Juni. Für diese Regelung hatten die Botschafter der EU-Staaten, darunter auch der deutsche Vertreter, grünes Licht erteilt. Kritisch gesehen wird dabei, dass sich der Druck insbesondere auf den Getreide- und Ölsaatenmarkt nun in die angrenzenden EU-Länder wie Deutschland, Tschechien, Österreich oder Slowenien verschieben könnte. Eine Anfrage dazu an das Bundeslandwirtschaftsministerium blieb bis zum Redaktionsschluss am vergangenen Freitagabend unbeantwortet. Aus Kommissionskreisen hieß es aber zugleich, dass Ungarn voraussichtlich Getreide aus anderen EU-Staaten werde einführen müssen. Als Grund gilt die relativ schlechte ungarische Ernte an Mais und Weizen im vergangenen Jahr. Wie aus dem Vorschlag der Brüsseler Behörde für die 100-Millionen-Beihilfe für die östlichen Mitgliedsländer hervorgeht, soll Polen mit 39,33 Mio Euro den größten Anteil bekommen. Es folgen Rumänien mit 29,73 Mio Euro und Ungarn mit 15,93 Mio Euro. Bulgarien und die Slowakei werden demnach 9,77 Mio Euro beziehungsweise 5,24 Mio Euro erhalten.

Aufstockung um 200 Prozent möglich

Die fünf genannten Mitgliedstaaten können diese Gelder um bis zu 200 % durch nationale Mittel ergänzen, sodass sich die Finanzhilfen für die betroffenen Landwirte auf insgesamt bis zu 300 Mio Euro belaufen könnten. Laut der Kommission erfolgte die Zuteilung der Gelder auf der Grundlage der Höhe der GAP-Direktzahlungen. Mit eingeflossen sei aber auch die relative Zunahme der ukrainischen Einfuhren von Getreide und Ölsaaten in die genannten Mitgliedstaaten. Bestimmt sind die Hilfsgelder laut der Brüsseler Behörde für die landwirtschaftlichen Betriebe, die in diesen Ländern Getreide und Ölsaaten erzeugen. Im Einzelnen geht es dabei vor allem um Weizen, Mais sowie Raps- und Sonnenblumensaat. Mit den Beihilfen soll den Landwirten ein Ausgleich für die Erlöseinbußen gewährt werden, die ihnen durch den Preisdruck aufgrund umfangreicher Einfuhren aus der Ukraine entstanden sind.

Ein klassisches quid pro quo

Flankierend zu ihrem Vorschlag unterstrich die Kommission erneut, dass Bulgarien, Ungarn, Polen und die Slowakei sich parallel dazu verpflichtet hätten, ihre einseitigen Maßnahmen gegenüber allen importierten Erzeugnissen aus der Ukraine aufzuheben. Bekanntlich hatte von den fünf Staaten nur Rumänien keine unilateralen Handelsschutzmaßnahmen ergriffen. Dazu sind die Mitgliedstaaten auch nicht berechtigt, denn die Kompetenz für Außenhandelsmaßnahmen liegt allein bei der EU-Kommission. Aufgrund des starken Drucks ihrer Landwirte hatten die Regierungen dennoch einen Importstopp verhängt. Über den Kommissionsentwurf werden die 27 Mitgliedstaaten voraussichtlich in der kommenden Woche im Ausschuss der Gemeinsamen Marktordnung (GMO) abstimmen. Da es bereits im Vorfeld auf Botschafterebene eine Reihe von Konsultationen gegeben hat, gilt eine Mehrheit als gesichert. Die Zahlungen an die betroffenen Landwirte erfolgen dann über die Mitgliedstaaten und müssen bis zum 30. September 2023 abgewickelt sein.

Solidaritätskorridore verstärken

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir begrüßte die Rücknahme von Grenzschließungen für ukrainische Agrarimporte in die EU: „Es ist gut, dass es nun eine Lösung gibt, damit die Ukraine ihr Getreide weiter exportieren kann. Es ist wichtig, dass das ukrainische Getreide dorthin gelangt, wo es gebraucht wird – in die Länder des globalen Südens“. Der Ressortchef hob hervor, dass die Ukraine dringend auf Einnahmen aus dem Agrarsektor für die Verteidigung gegen den russischen Angriffskrieg angewiesen sei. Die EU-Solidaritätskorridore müssten hierfür verstärkt werden. „Ein abgestimmtes und regelbasiertes europäisches Vorgehen ist die Grundlage für unsere Stärke. Ich betone, dass die EU-Mitgliedstaaten sich dazu wiederholt nachdrücklich bekannt haben“, so Özdemir.

Kommission wenig transparent

Die europäische Solidarität untereinander und mit der Ukraine dürfe nicht kurzfristig nationalen Einzelinteressen geopfert werden, denn das schwäche alle, erklärte Özdemir. Putins Krieg finde auf vielen Schauplätzen statt; er versuche die Ukraine wirtschaftlich zu schwächen und den Druck auf die westliche Staatengemeinschaft zu erhöhen. Die eigenwilligen Grenzschließungen einerseits, aber auch das wenig transparente Vorgehen der EU-Kommission andererseits hätten Kratzer hinterlassen, sagte der Grünen-Politiker. Er erwartet, dass die Kommission künftig früher und beherzter eingreife und andere Mitgliedsstaaten bei Problemstellungen enger einbinde. „Es hilft niemandem, wenn wir Probleme nur verlagern oder eine Krise auf Kosten einer anderen lösen“, unterstrich Özdemir. AgE

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