Seit 1879 Lebensmittelindustrie und Milchwirtschaft

Argentinien kritisiert Agrar- und Umweltpolitik der EU scharf

2. Februar 2023

Staatspräsident Fernández warnt unter anderem vor den Wirkungen des europäischen Green Deals auf den Wohlstand – Landwirtschaftsminister Massa kritisiert die EU-Agrarsubventionen – Hindernis für südamerikanische Anbieter – Bundestag geteilter Meinung über eine Ratifizierung dieses Abkommens

Foto: pixabay

Auch im Mercosur-Staatenbund will man sich weiter intensiv um ein Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union bemühen. Insbesondere Argentinien warnt aber vor einem zunehmenden „Protektionismus“ in der EU-Agrarpolitik und sieht noch Verhandlungsbedarf. Staatspräsident Alberto Fernández erneuerte jetzt anlässlich eines Treffens mit seinem brasilianischen Amtskollegen Lula da Silva in Buenos Aires seine Kritik an den Umweltschutzvorgaben der EU. Im Fokus stand dabei der europäische Green Deal. Dieser könne sich auf das Freihandelsabkommen auswirken und das zur Steigerung des Wohlstands „erforderliche Gleichgewicht“ negativ beeinflussen, erklärte Fernández. Er hatte der EU in den zurückliegenden Monaten bereits mehrfach zudem Agrarprotektionismus vorgeworfen. So erklärte der argentinische Staatspräsident in einem am Neujahrestag in der „Buenos Aires Times“ veröffentlichten Interview, dass die EU das 2019 unterzeichnete Abkommen nicht wegen der Regenwaldpolitik von Brasiliens früheren Staatspräsidenten Jair Bolsonaro auf Eis gelegt habe. Das sei lediglich eine „Ausrede“ gewesen. Den Europäern sei es vielmehr um den Schutz ihrer Agrarproduktion gegangen. Argentiniens Wirtschaftsminister Sergio Massa kritisierte am Montag voriger Woche (23.1.) in Buenos Aires bei einem Treffen mit seinem brasilianischen Amtskollegen Fernando Haddad die EU-Agrarsubventionen. Diese senkten die Wettbewerbsfähigkeit der argentinischen und brasilianischen Lebensmittel auf dem europäischen Markt. Damit ein Handelsabkommen zustande komme, müssten sämtliche Hindernisse beseitigt werden, die sich negativ auf die Wettbewerbskraft der südamerikanischen Anbieter auswirkten. Ansonsten sei es kein Abkommen, sondern eine „Zumutung“. Da Silva bekräftigte unterdessen die Wichtigkeit eines EU-Mercosur-Handelsabkommens und stellte sich damit an die Seite der EU-Kommission. Diese hatte kürzlich mitgeteilt, dass sie die Verhandlungen wieder vorantreiben wolle.

Gespräche über gemeinsame Währung

Da Silva hält es außerdem für entscheidend, dass das Abkommen zügig zustande kommt. Denn erst danach sollten mit China Gespräche über ein Freihandelsabkommen intensiviert werden. In diesem Punkt macht seit einiger Zeit der Mercosur-Mitgliedsstaat Uruguay Druck. Er verhandelt bilateral über ein Freihandelsabkommen mit der Volksrepublik. Brasilien wertet ein solches bilaterales Abkommen aber als Gefahr für den Mercosur-Staatenbund. Dieser hat nämlich wie die EU einen gemeinsamen Außenzoll, weshalb Handelsabkommen auch üblicherweise gemeinsam ausgehandelt werden. Seit da Silvas Amtsantritt als brasilianischer Präsident bemüht man sich in dem südamerikanischen Handelsblock wieder um eine Stärkung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. So brachten Fernandez und da Silva kürzlich unter anderem eine gemeinsame Währung in Argentinien und Brasilien ins Gespräch. Um die Abhängigkeit vom US-Dollar zu verringern, prüfe man die Einführung des sogenannten „Sur“.

China etwas zurückdrängen

Auch im Bundestag war das EU-Mercosur-Freihandelsabkommen vorige Woche Thema. In der Debatte zu zwei diesbezüglichen Anträgen der Fraktionen von CDU/CSU und AfD wurden sehr unterschiedliche Positionen deutlich. Stefan Rouenhoff von der Unionsfraktion forderte eine rasche Ratifizierung des Abkommens. Das sei wichtig, damit Europa auch künftig noch ein wirtschaftspolitisches Schwergewicht in der Welt sei und „Industriearbeitsplätze mit hoher Wertschöpfung erhalten bleiben“. Sebastian Roloff von der SPD verwies auf die Komplexität des Abkommens und auf Vorbehalte in der deutschen Bevölkerung. Zugleich stellte er klar, dass im Rahmen des Abkommens Umweltschutzauflagen eingehalten und die Menschenrechtsklausel durchgesetzt werden müssten. Roloffs Fraktionskollegin Isabel Cademartori warnte, dass es dabei auch darum gehe, den „Einfluss Chinas in der Welt etwas zurückdrängen, indem wir attraktive Angebote zur Zusammenarbeit machen“.

Grüne Lunge erhalten

Der FDP-Abgeordnete Reinhard Houben wandte sich mit einer Frage an all diejenigen, „die sagen, dass man es mit diesem Vertrag doch lieber lassen“ sollte: „Meinen Sie denn im Ernst, dass die Situation in Südamerika besser werden würde, wenn wir Mercosur nicht abschließen und diesen Kontinent und diese Staaten – auf gut Deutsch – im Regen stehen lassen würden?“ Dr. Franziska Brantner von der Grünen unterstrich das Engagement ihrer Fraktion für eine Ratifizierung des Abkommens, „aber mit überprüfbarem verbindlichem Schutz von Umwelt, Sozial- und Menschenrechten und mit einer durchsetzbaren Zusatzvereinbarung, um die grüne Lunge unserer Erde zu erhalten“.

Warnung vor „Billiglebensmittel“-Importe

Linke-Politiker Alexander Ulrich mahnte, dass mit dem Abkommen die Agrarimporte aus Südamerika heraus beschleunigt würden, was eine Grundlage für die Abholzung des Regenwalds sei. Und Stephan Protschka von der AfD warnte vor negativen Folgen für die europäische Landwirtschaft. Mit dem Abkommen würden die hiesigen Märkte „massenweise mit Billiglebensmitteln aus Südamerika geflutet“, bei deren Erzeugung „Umweltschutz, Tierschutz und Arbeitsschutz übrigens keine Rolle spielen, was bei uns ja großgeschrieben wird“. Der Antrag der CDU/CSU-Fraktion auf die Inkraftsetzung des EU-Mercosur-Assoziierungsabkommens sowie der AfD-Antrag „Heimische Landwirtschaft und tropischen Regenwald schützen – Nein zum geplanten Handelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten“ wurden in die zuständigen Ausschüsse überwiesen. AgE

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