Seit 1879 Lebensmittelindustrie und Milchwirtschaft

Einigung auf Handelsabkommen überraschend geplatzt

30. November 2023

Die EU-Delegation macht hierfür den australischen Handelsminister Don Farrell verantwortlich. Als Hauptgrund gelten Differenzen beim EU-Marktzugang von rotem Fleisch aus Australien.

Foto: pixabay

„Die EU-Delegation ist für nichts nach Osaka geflogen.“ Mit diesen Worten hat sich ein hochrangiger Kommissionsbeamter nach dem vorläufig gescheiterten Abschluss der Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Australien auf Anfrage von AGRA-EUROPE zitieren lassen. Nach zunächst erfolgreichen Vorgesprächen vor dem Treffen sollte am Rande des Handelsministertreffens der G7 in Osaka eigentlich die politische Einigung verkündet werden. Wie aus der Kommission zu erfahren war, hat Australiens Handelsminister Don Farrell zur großen Überraschung der EU-Delegation kurz vor Beginn der abschließenden Verhandlungsrunde den Deal vorläufig platzen lassen. Besonders frustriert zeigten sich Delegationsteilnehmer darüber, dass man sich auf technischer Ebene eigentlich schon beinahe handelseinig gewesen sei. Entsprechend hochrangig war die EU-Delegation besetzt. EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski war allein für den Abschluss der Gespräche nach Japan geflogen. Entsprechend enttäuscht äußerte sich der Pole auf der Kommunikationsplattform „X“. Anders als seine Beamten hielt sich der Brüsseler Agrarchef aber mit öffentlichen Schuldzuweisungen zurück. Auch der geschäftsführende Vizepräsident und Handelskommissar Valdis Dombrovskis war aufgrund des G7-Treffens in Osaka zugegen. Aus Verhandlungskreisen hieß es, Farrell habe den Abbruch der Gespräche mit dem unzureichenden Marktzugang der australischen Landwirtschaft zum EU-Binnenmarkt begründet. Bereits im Juli war ein Abschluss an den für die EU besonders sensiblen Bereichen gescheitert. Konkret soll es im Sommer dabei vor allem um den Zugang zu den Märkten für Rind- und Schaffleisch sowie Zucker gegangen sein.

Bei Zucker wohl Einigung

Aus der Brüsseler Kommission wurde erklärt, dass man sich beim Zucker bereits geeinigt habe. Nach wie vor kritisch sei der von Australien geforderte Marktzugang für rotes Fleisch. Laut Zahlen aus dem Sommer forderte die Regierung in Canberra unter anderem für Rindfleisch eine Freihandelsquote von 60.000 Tonnen im Jahr. Das Angebot der Kommission liegt dagegen dem Vernehmen nach bei deutlich unter 40.000 Tonnen. Aus der Brüsseler Behörde heißt es nun, dass ein bis Jahresende für möglich gehaltener Abschluss der Gespräche mit dem südamerikanischen Mercosur-Block den Verhandlungsspielraum der EU-Seite für rotes Fleisch aus Australien nicht erhöhen dürfte. „Das Gegenteil ist der Fall“, so ein Kommissionsbeamter. Erst kürzlich hatte der Generalsekretär der EU-Ausschüsse der Bauernverbände (COPA) und ländlichen Genossenschaften (COGECA), Pekka Pesonen, im Interview mit AGRA-EUROPE den zunehmenden Marktzugang von Rindfleisch aus Drittstaaten über Freihandelsquoten beklagt.

Knackpunkt geographische Herkunftsangaben

Schwierigkeiten gebe es zudem beim Thema Tierseuchen, hieß es. Australien soll sich nach wie vor weigern, das Regionalisierungskonzept der Europäischen Union anzuerkennen. Die Brüsseler Beamten wollen beispielsweise sicherstellen, dass bei Ausbrüchen der Afrikanischen Schweinepest (ASP) nicht mehr der gesamte Markt des jeweiligen Mitgliedslandes gesperrt wird. Ein weiterer Knackpunkt in den Verhandlungen ist für Australien die Forderung der EU, dass „Down Under“ die Namensrechte für Hunderte von Produkten – darunter Prosecco, Parmesan oder Feta – aufgegeben soll, um geografische Herkunftsangaben zu schützen. Davon wären viele lokale Lebensmittel- und Getränkeproduzenten betroffen, die seit Jahrzehnten Waren unter diesen Bezeichnungen herstellen. „Ich bin mit der Absicht nach Osaka gekommen, ein Handelsabkommen mit der EU abzuschließen“, erklärte Farrell. Es sei aber nicht gelungen, entscheidende Fortschritte zu erzielen. „Die Verhandlungen werden fortgesetzt und ich bin zuversichtlich, dass wir eines Tages einen Handelsvertrag unterzeichnen können, von dem sowohl Australien als auch unsere europäischen Freunde profitieren“, so der Handelsminister.

Verzögerung durch EU-Wahlen?

Australiens Landwirtschaftsminister Murray Watt kritisierte, dass sich die europäische Seite „nicht wesentlich bewegt“ habe und brachte seine Frustration über den „notorisch protektionistischen Agrarmarkt“ zum Ausdruck. Kein Abschluss sei eine „harte, aber richtige Entscheidung“. Da Mitte nächsten Jahres Wahlen zum Europäischen Parlament anstünden, könnte ein Abschluss lange auf sich warten lassen. „Ich denke, es wird noch eine ganze Weile dauern, bis eine australische Regierung oder eine EU-Führung in der Lage ist, ein Abkommen auszuhandeln. Das ist sowohl für Australien als auch für die EU sehr schade“, erklärte Watt.

Bauernverband begrüßt Scheitern

Lob für „die standhafte Haltung der Regierung in den Verhandlungen“ kam vom Australischen Bauernverband (NFF). „Die Entscheidung war schwer, aber letztlich richtig. Wir danken den Ministern Farrell und Watt dafür, dass sie sich an die Seite der australischen Landwirte gestellt und ein inakzeptables Angebot ausgeschlagen haben“, erklärte der neue NFF-Präsident David Jochinke. Es sei enttäuschend, dass die Europäer nicht bereit waren, etwas wirtschaftlich Sinnvolles auf den Tisch zu legen. „Das Angebot hätte den Protektionismus in unseren Handelsbeziehungen mit Europa für eine weitere Generation festgeschrieben und unsere Landwirte gegenüber Konkurrenten in Neuseeland, Kanada und Südamerika benachteiligt“, betonte Jochinke. Auch der NFF wolle ein Abkommen mit der EU, doch müsse dieses für beide Seiten von Vorteil sein. Die Regierung sollte deshalb den Dialog mit der EU aufrechterhalten, um auf dieses Ziel hinzuarbeiten. AgE

Beitrag teilen: |

Partner

Newsletter

Abonnieren Sie unsere Newsletter und bleiben Sie immer auf dem Laufenden, bei den Themen, die Sie interessieren!

Zur Anmeldung: